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In Conversation with Sophia Panteliadou

Follow-Up Questions to the Curator of ::KAIROS. Recall of Earth from 2022 (in German)

Die Beziehung zwischen Natur und Mensch aus verschiedenen Blickwinkeln

Sophia Panteliadou at the Opening of the exhibition | Image by ©

Die Ausstellung war 2019/20 in Griechenland bereits zu sehen: Inwiefern, hat sich die Ausstellung verändert für das AIL?

Für die Ausstellung in der Foundation MIET in Thessaloniki (Griechenland) richtete sich mein Blick vor allem auf Phänomene, die mit Wetter-Ereignissen in Verbindung stehen und stellte diese in Zusammenhang mit den Perzeptionen des Körpers (Patricia J. Reis, Sensorial Screen #3, 2019-2021) sowie der Wahrnehmung durch die Sinne (Thomas Glänzel, Gewitter, 2019 und Alfred Lenz, Lightning, 2014).

Der Fokus in der Ausstellung im AIL konzentrierte sich jedoch stärker auf die Bedingungen sowie Auswirkungen und Konsequenzen der Klimakrise sowohl im lokalen wie auch globalen Zusammenhang. Als Initialpunkt für die Ausstellungskonzeption galten die Überschneidungs- beziehungsweise Verknüpfungselemente von subjektivierten und kollektiven Denk- und Handlungsstrukturen sowie ihr Verhältnis zu den differierenden Produktions- und Kunsttechniken. Zum einen im Kontext der Außenwelt, der Natur und Landschaftseinbrüche und zum anderen in Verbindung mit den Wirkungen auf die Innenwelt der Lebewesen, auf die Psyche der Menschen und ihre mentale Re/aktion.

Die „Sprache“, ihre Vielstimmigkeit sowie kulturellen und politischen Implikationen, bildeten überdies eine zusätzliche Bedeutungsachse. Als Beispiel: Der Film Staging Narratives, Matewan Massacre (2018) als Teil der Installation Staging Nature von Mathias Kessler erzählt eine Katastrophe auf mehreren Ebenen, die repräsentativ für alle Realitäten in der Ausstellung steht: Darin geht es um den Verlust der Landschaft, den Gedächtnisverlust, den Verlust des Ausdrucks und die wirtschaftliche Gewahrsamnahme einer ganzen Region im Namen der Entwicklung. Es handelt von der kalkulierten Geschwindigkeit eines Fortschritts, der buchstäblich als auch metaphorisch die natürliche, kulturelle Umwelt und ihre soziale Ausdrucksform gefangen hält. Das komplexe Verhältnis von Umwelt und Migration wird beispielsweise durch das Zusammenwirken der Boden-Installation Risiko (2017/21) von Ruth Schnell und der Arbeit Enchantement of the Seas (2017/19) mit der Videoprojektion Die Straße (2013) Ulla von Brandenburgs, bei welcher die Wanderungsbewegungen greifbar und sichtbar werden, reflektiert. Der zirkuläre Prozess des Austausches, die Wieder/Holung und die Rekonstruktion von „Erzählungen“ stellt eine parallel verlaufende Schicht dar, welche durch den Film C,Ü,I,T,H,E,A,K,O,G,N,B,D,F,R,M,P,L (2017) Ulla von Brandenburgs re/präsentiert wird.

Was reizt dich am Thema Wetter, wie kam es zur Idee der Ausstellung?

Anfangs richtete sich mein Interesse auf das Themenfeld „Wetter“ vorwiegend von einer phänomenologischen sowie meteorologischen Perspektive betrachtet. In der anschließenden Zeit, wurde auch auf die damit verwobenen Implikationen Bezug genommen.

Während der Vorbereitungsarbeiten für die Ausstellung in den Räumen von MIET-Thessaloniki 2019/20, erweiterte sich das Ausstellungkonzept – sowohl im inhaltlichen Kontext sowie auch in formaler Gestaltung und Auswahl der Exponate. Parallel zur Ausstellungsgestaltung, -planung befasste ich mich mit der Textformulierung in der griechischen Sprache sowie mit Aspekten der Übersetzbarkeit und der Übertragung. Ausgehend von Fragen zur Metaphorizität in der Sprache aus einem philosophischen Blickpunkt, entstand der Titel der Ausstellung, denn KAIROS ist zum einen das Neugriechische Wort für „Wetter“ und zum anderen bezieht sich der Begriff auf die Zeitlichkeit – und den Augenblick als „richtigen Zeitpunkt“.

Das spannendere Element im Kontext von „Kairos“ und dem Ausstellungstitel ist somit der implizit philosophische Aspekt, der zur Aufspreizung des Wortes beiträgt: es handelt sich um die dem Wort „Kairos“ innewohnende Polysemie. Das polysemische Element in der Sprache ist das weite Spektrum im Umfeld dieses Wortes, das auch zur Erweiterung und semantischen Verschiebung des ursprünglichen Ausstellungskonzepts führte. Verknüpfungen mit dem Planeten Erde ließen sich konzeptuell leicht erschließen, nicht zuletzt in Verbindung mit Bruno Latours Texten, mit welchen ich mich einige Jahre davor beschäftigt hatte.

Kannst du uns etwas mehr zum Konzept und deiner Herangehensweise verraten?

Bei der Konzeption einer Ausstellung stehen mir vor allem erkenntnistheoretische, kulturphilosophische und psychoanalytische Fragestellungen zur Auswahl/Disposition. Mit der Ausstellung :: KAIROS. Recall of Earth versuchte ich diesen Themenbereich zum einen in Überschneidung mit dem Diskurs des Politischen in der Gegenwart zu verknüpfen und zum anderen einige Aspekte mit wahrnehmungstheoretischen Fragestellungen sowie mithilfe von Positionen aus dem theoretischen Feld der Psychoanalyse Lacans zu hinterfragen.

Führt man sich die Entstehungsdaten einiger in der Ausstellung gezeigten Werke vor Augen, stellt sich heraus, dass die Arbeiten teilweise um Jahrzehnte älter als das Konzept der Ausstellung sind. Hiermit wird nun dokumentiert, dass die Problemstellungen zwar auf aktuelle Ereignisse Bezug nehmen, diese jedoch sowohl in anthropologischer wie kultureller Hinsicht unberührt vom Zeitgeist bleiben. Der rechte Augenblick (kairos) definiert hier die Unterbrechung eines synchronischen und diachronischen Moments, und bestimmt somit den Schnittpunkt der Achsen zwischen Signifikanten und Signifikat.

Ein solch theoretisches Fundament steht somit im Prüfstand bei jeder Ausstellung. Der Parcours führt hier durch die Ausstellungsexponate, indem Fragen, welche mittels der künstlerischen Arbeiten und der Recherche gestellt werden, in Verbindung mit den Werken der mitwirkenden Künstler*innen mit diesen konfrontiert, um möglicherweise neue Wege und Denkweisen zu eröffnen.

Und welche Rolle spielt die große Vielfalt der verwendeten Medien? Was reizt dich daran?

Nebst einer formalen Vielschichtigkeit der Zugänge unterschiedlicher Medien, die in Verbindung mit differierenden Aspektierungen der künstlerischen Werke einhergehen, werden hiermit ebenso zeitgenössische Positionen zur Kunsttheorie angesprochen und Fragen zur Diskussion gestellt, wie: Was können die Künste und philosophische Positionen heute über die Beziehungen zwischen Wort und Bild, Sehen und Zeichen sagen – und in weiterer Folge über sozial-gesellschaftliche Strukturen?

Was wäre für dich ein Ziel der Ausstellung, womit soll ein Gast nach Hause gehen?

Indem die Besucher*innen der Ausstellung zumindest bei einem der Werke nicht allein den theoretischen Hintergrund im Kontext der Ausstellungsthematik reflektieren, sondern diese Erfahrung ebenso und vor allem als ästhetisches und sinnliches Ereignis wahrnehmen.

Gibt es weitere Pläne für die Ausstellung?

Zunächst steht nun eine Publikation in Aussicht.

Vielen Dank Sophia Panteliadou. Die Fragen stellte Eva Weber

:: Kairos. Recall of Earth war von 11. November 2021 bis 21. Januar 2022 in den beiden AIL-Seitenflügeln – verbunden durch die Kassenhalle – zu sehen. Die Ausstellung befasste sich mit der Beziehung zwischen Menschen und Naturereignissen. Ausgehend von meteorologischen Aspekten des "Wetters" zeichnete die Ausstellung auch ein Bild der Psyche und ihrer Verstrickung mit Naturphänomenen nach.

Beteiligte Künstler*innen:
Irini Athanassakis, Ulla von Brandenburg, Laurus Edelbacher, Thomas Glänzel, Maria Hubinger, Anni Kaltsidou, Mathias Kessler, Peter Kubelka, Alfred Lenz, Brigitte Mahlknecht, Josefina Nelimarkka, Patrícia J. Reis, Ruth Schnell, Christian K. Schröder, Helmut Swoboda, Anna Watzinger

Die Ausstellung wurde unterstützt von:
Bundesministerium. Kunst Kultur, öffentlicher Dienst und Sport; Stadt Wien – Kultur; ZAMG. Zentralanstalt für Metereologie und Geodynamik

Photo: Lea Dörl