Für Mai 2020 war im AIL die Ausstellung May I introduce: Alien! Von depressiven Affen und einfühlsamen Dodos der beiden Kuratorinnen und Künstlerinnen Alexandra Fruhstorfer und Violetta Leitner geplant. Aufgrund von Covid-19 war eine Umsetzung vor Ort nicht machbar, sodass die Beiden eine digitale Alternative entwarfen und umsetzten. Wir haben sie zu ihren Erfahrungen befragt:
Was waren Herausforderungen bei der Umsetzung online? Welche Grundüberlegungen hattet ihr, nach denen ihr die Homepage umgesetzt habt?
Uns war wichtig, dass die virtuelle Umsetzung kein notwendiges Übel wird, sondern mit allen digitalen Mitteln strahlen kann. Wir hatten ja relativ wenig Zeit für die Konzeption und Umsetzung und mussten sehr schnell Entscheidungen treffen, als klar war, dass eine analoge Umsetzung sehr unwahrscheinlich möglich sein wird. Schnell waren wir uns einig, dass wir keine abgefilmte virtuelle 3D Ausstellung aufsetzen wollen, wie es sehr viele Galerien und Museen seit März getan haben. Auch eine Portfolio-Seite schien uns nicht sehr sinnvoll in Anbetracht dessen, dass ja einige der vorgestellten Arbeiten bereits auf bestehenden Werken basieren. Es war uns hier wichtig die Projekte auch inhaltlich weiterzuentwickeln, Querverbindungen herzustellen und sie auch in gewisser Weise enger ineinander zu verwickeln.
Wir wollten also die Chance ergreifen in dem neuen Format mit verschiedenen Narrativen zu experimentieren.
So haben wir an einem – wir nennen es gerne – "Universum" von verschiedenen Beobachtungslinsen und Erzählweisen getüftelt, in dem die Besucher*innen eingeladen sind sich verschiedene Brillen der Betrachtung aufzusetzen. Wir haben dabei zum Beispiel in unserer "THE OPINION"- Brille vier Expert*innen und Wissenschafter*innen aus Disziplinen von Biologie über Anthropologie und Kulturwissenschaften eingeladen, die Projekte, von ihrem spezifischen Standpunkt aus, zu beleuchten und zu reflektieren. Man könnte dies fast als eine Art Führung durch die Ausstellung aus verschiedenen Expertise-Perspektiven beschreiben. In unserer "THE VISITOR" Abteilung ist das Publikum selbst eingeladen etwas zur Ausstellung beizutragen – man darf und soll interagieren, kommentieren und philosophieren!
Eine große Herausforderung, neben der zeitlichen Komponente in der Konzeption, war natürlich der knappe Zeitrahmen für die technische Umsetzung. Es war ein großer Flexibilitätsakt für unser technisches Team in der Entwicklung dann auch noch auf den work-in-progress im Konzept Rücksicht zu nehmen – es war ein recht organischer und wilder Prozess. Auch hatten wir natürlich durch den knappen Zeitrahmen nicht so viele Möglichkeiten unsere Ideen vorab zu testen, weshalb ich das Projekt noch immer als ein kleines work-in-progress mit allerhand Möglichkeiten zur Verbesserung sehe.
Was waren Vorteile / Nachteile bei der digitalen Umsetzung?
Sehr schön war, dass wir durch das neue Format und die konzeptionelle Arbeit daran zwangsläufig und glücklichereweise in sehr engem Kontakt und Austausch mit unseren Künstlerinnen waren, und das ganze Projekt so wirklich zu einem gemeinschaftlichen geworden ist. Unsere Künstlerinnen kommen ja aus oder wohnen derzeit in verschiedensten Ländern in Europa.
Eine Sache, bei der ich nie gedacht hätte, dass sie mir so wichtig sein würde, ist der rituelle Aspekt einer Ausstellungseröffnung: dass wir diesen offiziellen Moment des gemeinsamen Feierns und des "Band-Zerschneidens" nicht erlebt haben, habe ich respektive sehr vermisst.
Leider hatten und haben wir durch das digitale Format auch sehr wenig Gefühl dafür, wie viele Besucher*innen sich auf unserer Seite tummeln, und es ist natürlich etwas ganz anderes, wenn man den Besucher*innen – besonders aus Kuratorinnensicht – die Ideen und Geschichten hinter den Installationen persönlich kommunizieren kann.
Aus diesem Grund waren wir auch recht dankbar, dass wir mit den AILien-Talks während des Angewandte Festivals die Möglichkeit hatten – zwar auch nur digital und nicht in direktem Austausch mit dem Publikum – einige Aspekte, Gedanken und vor allem auch die Künstlerinnen hinter den Werken vorzustellen. Dieses Format hat uns zumindest ein klein bisschen von einem offiziellen Start suggeriert.
Und natürlich muss man sagen, dass die Köpfe des Publikums, was digitale Formate betrifft derzeit schon mehr als rauchen und man somit auch leichter untergeht in der Masse an virtuellen Veranstaltungen und Webseiten. Die Magie des Analogen, des Materiellen und Direkten ist hier unmöglich zu ersetzen.
Gibt es ein erstes Fazit, auch aufgrund von Rückmeldungen, was ihr nun vielleicht anders machen würdet?
Ich denke wir würden definitiv nun den Fokus verschiedener Bereiche etwas anders gewichten. Die interaktiven Bereiche könnten etwas präsenter und in-your-face sein, um etwas offensichtlicher zur Beteiligung zu animieren. Dem Audioformat "THE OPINION" könnte man eventuell etwas mehr Ruhe verleihen, wobei wir hier auch noch zusätzlich einen nicht so experimentell angelegten Podcast aus dem Material zusammenstellen möchten, dieser ist sicher eine gute Ergänzung als klassisches Hörformat, auch für Unterwegs.
Die präsentierten Arbeiten der digitalen Ausstellung May I introduce: Alien! verdeutlichen auf unterschiedliche Weise die Wechselbeziehungen zwischen Natur und Gesellschaft. 5 Künstlerinnen, Designerinnen und Forscherinnen nähern sich dem Fremden, dem Alien in seiner vielfältigsten Erscheinungsform und fragen:
Müssen wir erst Eindringlinge werden, um vorherrschende Paradigmen hinterfragen und aufbrechen zu können?
Mit Arbeiten von: Solmaz Farhang, Alexandra Fruhstorfer, Ege Kökel, Lena Violetta Leitner and Andrea Palašti
Die Fragen stellte Eva Weber